Während der Arbeit an dieser Anthologie, von der Ausschreibung und der Werkstatt zum The-ma über die Sichtung erster Einsendungen hin zur Auswahl der Texte und ihrer Zusammen-stellung, gab es verstärkt Gespräche zum Thema Angst und der Möglichkeit literarischer Aus-einandersetzung damit. Es gab sehr viele anerkennende Meinungen, Bekundungen, wie wich-tig dieses Buch ist.
Ebenso gab es jedoch dieses so typische Belächeln des Sujets.
Kamen in Alltagsleben Bemerkungen wie ,,Angst ist doch normal, hat doch jeder, macht nur kein Drama daraus, springt doch einfach über den eigenen Schatten.'', so wurde die Idee des Buches oft mit ,,uninteressant'' abgetan.
Oder es wurden Zweifel geäußert, dass ein solches Thema anspruchsvoller Beitrag zur neueren deutschen Literatur sein könne.
Nun, ich glaube, dieses Buch ist Aussage für sich.
In einer Vielfalt von Herangehensweisen und mit hohem literarischem Niveau - bei aller not-wendigen und wünschenswerten Lebensnähe - sind Texte und Grafiken von 60, bekannten oder weniger bekannten, Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz enthalten.
In Essays, Gedichten und Erzählungen wurde sich mit dem Thema Angst auseinandergesetzt. Ganz unsentimental. Ganz behutsam. Ganz kritisch. Jedem einzelnen Text ist die Achtung vor dem anderen Menschen anzufühlen und der Wunsch zur Kommunikation über einen Bereich unseres Seins, der noch viel zu oft abgelehnt oder als nicht vorhanden betrachtet wird.
Ein Mensch, den ich hoch achte und von dem ich schon viel lernen konnte, sagte einmal: Je-ner, der noch nicht wahrhaft Angst gehabt hat, weiss nicht, was Leben ist. Eine Meinung, mit der er zum Nachdenken, Kritisieren und Diskutieren anregen will, meine ich.
Und dies ist auch die Aufgabe dieses Buches: Mittels einer literarischen Form Gespräche an-regen, Sich-Nahe-Kommen ermöglichen und sensibilisieren für Eigenheiten anderer Menschen.
Ein besonderer Gedanke und Dank gilt an dieser Stelle jenen, die seit einiger Zeit in einem Internet-Chat zum Thema Angst miteinander reden und allen Menschen, die Mut ha-ben/machen für ähnliche Berührungspunkte.
Für Tina, Conny, Vroni, Iris und all die anderen lieben Leute.
Cornelia Eichner im Juli 2001
Ingeborg Bachmanns Zitat ,,Was aber möglich ist, in der Tat, ist Veränderung.
Und die verändernde Wirkung, die von neuen Werken ausgeht, erzieht uns zu neuer Wahrnehmung, neuem Gefühl, neuem Bewußtsein.'' leitet die Anthologie ,,Angsthasen'' ein. Worte, die nicht treffender sein könnten für dieses Buch.
Jeder einzelne enthaltene Text strotzt vor Lebensnähe, Echtheit, Intensität und Mut.
Eine geballte Ladung menschliches Sein, geschaffen von rund 60 Autoren und Autorinnen, einem Grafiker und einer Grafikerin, zusammengetragen von den beiden Autorinnen Cornelia Eichner (Zwickau) und Ine's Jaccobie (Berlin).
Bei der Auswahl wurde bewußt auf Klischees und Jammerei verzichtet, dafür kamen, sicher teilweise fiktive, Fakten aufs Papier, öffnen Gedankenkonstruktionen neue Wege, lassen lyrische Bilder uns den anderen Menschen spüren.
Gut recherchierte und ausgearbeitete Essays stehen neben feinfühliger Lyrik und ergreifender Prosa. Umreißt die Berliner Mitherausgeberin Ine's Jaccobie ganz allgemein das Thema Angst zum Einstieg, zeigt der Mainzer Physiologe Stefan Walenta Möglichkeiten durch Entspannungstechniken Panikattacken entgegenzutreten.
Die Autorin Verena Raupach aus Mönchengladbach öffnet mit ihrem Essay über Salvador Espriu unseren Blick für einen außergewöhnlichen Lyriker; der Schweizer Autor, Arzt und Psychotherapeut Frank Fischer nutzt seine wunderbare Gabe, auch Gegebenheiten, die für Außenstehende unbegreiflich sind ganz konkret nachspürbar aufzuzeichnen.
Roman Graf, ein junger Autor aus Zürich, legt wie Puzzleteile die Wörter seiner Lyrik zurecht, um daraus die sichere, aber unzureichende Situation vernetzter Menschen abzubilden.
Ja, sagt man beim Lesen, dieses Gefühl kenne ich. Und sagt man Nein, fragt man sich sogleich, warum der oder die andere, der oder die hier über das Papier mit mir spricht, diese seine Welt aus einem mir so fremden Blickwinkel sieht.
Während man liest, spürt man deutlich, da sind ,,keine Heiligen mehr'' (Janet Haarbach), sondern da ist im Fenster gegenüber Gloria, ,,normal, nicht schön, nicht häßlich.'' (Gilbert Diedrich) Wie du und ich also. Die Nachbarn haben Angst vor Einbrechern (Annette Paul), die Frau von untendrunter wird noch immer von ihrem Peiniger verfolgt (Frank Fischer). Es sind Geschichten von den Menschen um uns. Sie werden Sie wiedererkennen, wenn Sie genau lauschen.
Und vielleicht, wenn Sie wieder einmal einem Menschen begegnen, haben Sie den Mut zu lächeln und damit zu zeigen: Ja, ich habe auch Angst, schäme Dich nur nicht.
Marion Hallbauer (Kirchberg) und Dirk Bathen (Brilon) unterstützen mit ihren grafischen Arbeiten einfühlsam die abgedruckten Texte, bannen, manchmal ironisch, manchmal mit einer Träne im Auge, die Angst mit Feder und Pinsel aufs Papier. Für Schnörkel ist dabei - ebenso wie bei den Texten - kein Platz. Die Bilder treffen klare und wahrhaftige Aussagen, beschönigen nichts.
Die Arbeiten dieses im Geest-Verlag erschienenen Bandes drehen sich rund um das Thema ,,Angst''. Was aber viel wichtiger ist: Sie zeigen und machen Mut.
Und das ist etwas, was ich nur jedem Menschen wünschen kann. Möge dieses Buch Mut machen, Menschen lachen und weinen und miteinander reden lassen.
Max Tenner (Leipzig), im August 2001